Was passiert, wenn ein Zug schnell an dir vorbeifährt?
Durch schnelle Bewegungen entsteht ein Luftzug. Das kennst du selbst und kannst es auch nochmal kurz nachprüfen.
Bewege deine Hand dazu einfach schnell vor deinem Gesicht, als wolltest du eine Fliege verscheuchen. Spürst du die kleine Mini-Brise, die dadurch entsteht? Sie kommt dadurch zustande, dass die Bewegung deiner Hand die Luft verdrängt, sodass sie in einem schnellen Strom an ihr vorbeifließt. Genauso ist es bei einem Zug. Aber natürlich ist ein Zug viel schneller als deine Hand. Und er ist sehr viel größer und nimmt dadurch entsprechend viel mehr Luft mit. Das verstärkt einen Effekt, der als Bernoulli-Effekt bekannt ist. Probiere aus, was passiert und führe eines der folgenden Experimente aus. Oder auch alle drei!
Was denkst du?
Bevor man sich an ein Experiment macht, überlegt man sich immer erst, was man für ein Ergebnis erwartet. Man formuliert eine Hypothese. Was denkst du also, was durch den Luftzug eines schnell vorbeifahrenden Zuges ausgelöst wird? Entsteht ein Wind, der alles vom Zug wegdrückt? Gibt es einen leichten Luftzug, der außer einer kleinen Erfrischung keine Auswirkungen hat? Entsteht ein Sog, der alles zum Zug hinzieht? Oder fällt dir noch etwas ganz anderes ein?
Hast du deine Hypothese formuliert, kann es mit den Experimenten losgehen! Dazu findest du erst drei verschiedene Experimente beschrieben. Die Erklärung der Ergebnisse folgt dann am Ende. Und wenn du möchtest, kannst du dir die Anleitung für die Experimente ganz unten auch einzeln herunterladen. Los geht’s!
Experiment A
Du brauchst:
- ein Papier, etwa 5 mal 10 Zentimeter groß
- Tipp: Lege ein DIN A4-Papier quer und schneide es in vier gleiche breite Streifen. Dann können deine Freundinnen oder Freunde auch gleich beim Experiment mitmachen.
So geht’s:
Lege das kurze Ende des Papierstreifens über deinen Zeigefinger und halte es unterhalb deiner Unterlippe gegen deinen Mund.
Nun puste gleichmäßig über die Oberfläche des Papiers.
Was passiert?
Das Papier hebt sich nach oben.
Experiment B
Du brauchst:
- ein Stück Tonpapier oder dünnen Karton in Postkartengröße
So geht’s:
Biege die kurzen Seiten der Postkarte zueinander, sodass eine Wölbung entsteht.
Lege dann die Postkarte mit der Wölbung nach oben auf den Tisch und puste kräftig darunter.
Tipp: Damit das Experiment gelingt, achte darauf, dass du nicht von oben, sondern möglichst gerade durch die Wölbung pustest.
Was passiert?
Die Postkarte schmiegt sich an die Tischplatte.
Experiment C
Du brauchst:
- zwei Stricknadeln
- zwei Platt Papier oder dünnen Karton
So geht’s:
Falte die Papier- oder Kartonbögen an der oberen Kante einmal um, sodass eine Aufhängung entsteht.
Hänge die Bögen über die Stricknadeln.
Halte die Stricknadeln nebeneinander und parallel zum Boden. Achte darauf, dass die umgeklappten Kanten nach außen gerichtet sind, sodass die großen Papierflächen zueinander zeigen. Der Abstand an der engsten Stelle sollte etwa zwei Zentimeter beträgt.
Puste nun von oben zwischen die Papierbögen.
Tipp: Dieses Experiment lässt sich am besten zu zweit durchführen.
H3: Was passiert?
Die Papierbögen ziehen sich an. Sobald sie sich berühren, wird der Luftstrom unterbrochen und sie schwingen zurück.
Warum ist das so?
Der Schweizer Daniel Bernoulli entdeckte schon vor fast dreihundert Jahren, dass in dünnen Flüssigkeiten (wie Wasser) und Gasen (wie Luft) der Druck sinkt, wenn deren Geschwindigkeit steigt. Pustest du, ist die ausgepustete Luft „schneller“ als die Umgebungsluft und der Druck innerhalb dieses Luftstroms also auch niedriger. Dieser „Unterdruck“ wiederum erzeugt einen Sog, der das Papier zum schnelleren Luftzug hinzieht.
Was heißt das für den schnell vorbeifahrenden Zug?
Bei schneller Fahrt staut sich vor dem Zug die Luft wie eine Art Bugwelle beim Schiff. Diese Luftwelle ganz vorne kann dich bei einfahrenden Zügen tatsächlich eher wegdrücken. Am Zug entlang und hinter ihm fließt die Luft dafür umso schneller. Und in diesem „schnellen“ Luftstrom rund um den Zug herrscht ein niedrigerer Druck als in der restlichen Luft. Dadurch entsteht nahe am vorbeifahrenden Zug und direkt hinter ihm ein gefährlicher Sog, der dich zum Zug hinziehen und mitreißen kann. Damit das nicht passiert, gibt es auf Bahnsteigen zum Beispiel die weiße Linie. Hinter dieser Linie ist der Abstand zum Zug groß genug, damit der Bernoulli-Effekt keine Wirkung auf dich hat.
Schon gewusst?
- Daniel Bernoulli (1700–1782) war Arzt, Mathematiker und Physiker. 1738 veröffentlichte er sein Buch „Hydrodynamica“ über Strömungsforschung. Der daraus abgeleitete Effekt bekam jedoch erst viel später seinen Namen.
- Der Bernoulli-Effekt zeigt sich im Alltag zum Beispiel an Türen, die nur einen Spalt aufstehen und bei einem Luftzug zuschlagen statt aufgedrückt zu werden.
- Gleise von Hochgeschwindigkeitszügen dürfen ebenfalls nicht zu nahe beieinander liegen, damit sich schnell nebeneinander fahrende Züge nicht anziehen. Dasselbe gilt für Schiffe, die auf demselben Kurs sind.
- Der Bernoulli-Effekt ist auch der Grund, warum Flugzeuge fliegen können. Die Luft fließt über den Flugzeugflügeln schneller und „saugt“ die Tragflächen dadurch nach oben. Spannend, oder?
Jetzt weißt du, warum es die weiße Linie am Bahnsteig gibt und warum du immer viel Abstand zum Zug halten solltest. Spannend, oder? Schau dich noch weiter um und entdecke mehr überraschendes Bahnwissen, kniffelige Quizfragen und coole Bastelprojekte!